März 30, 2023

Strategie, Personal, Prozesse: Mit diesen Tipps stellen sich Krankenhäuser mit einem Patientenportal zukunftsfähig auf 

2023 kommt zunehmend Bewegung in eine der Kernmaßnahmen des Krankenhauszukunftgesetzes (KHZG): das digitale Patientenportal. In einem von Platform24 veranstalteten Expert:innen-Webinar  diskutierten Anne Wiesmann (WMC Healthcare), Dr. Andreas Landgraf (Philips), Dr. Axel Fischer (München Klinik) und Dr. Carol Wildhagen (Platform24), warum es für Krankenhäuser trotz des bestehenden Zeitdrucks wichtig ist, nicht nur MUSS-Kriterien abzuhaken, sondern die eigene Digitalisierung über 2025 hinaus im Blick zu haben.

März 30, 2023

“Beim Patientenportal bzw. dem gesamten KHZG-Fördertatbestand geht es um Einbeziehung und Partizipation der Patient:innen, aber auch darum, dass ein Datenaustausch zwischen den einzelnen Schnittstellen stattfinden kann. Der ‘DigitalRadar Krankenhaus’ hat in den Ende 2022 vorgelegten Zwischenergebnissen gezeigt, dass beide Aspekte bislang wenig ausgeprägt sind”, untermauerte Anne Wiesmann, Senior-Managerin bei WMC Healthcare und Projektleiterin des vom Bundesministerium für Gesundheit initiierten  “DigitalRadars Krankenhaus”, die Relevanz des digitalen Patientenportals zum Einstieg in die Online-Veranstaltung. Wichtig sei aus ihrer Sicht, dass Krankenhäuser ihre Digitalisierungsvorhaben jedoch nicht in geschlossenen Arbeitspaketen denken – auch wenn das KHZG so aufgebaut sei. Denn dann könne Interoperabilität nicht stattfinden. “Es passieren extrem viele analoge Prozesse rund um die digitale Struktur. Daher ist es wichtig, den Prozess des Patienten im Krankenhaus in seiner Gesamtheit zu betrachten. Ein Patientenportal einzuführen, ist kein Ziel. Krankenhäuser sollten für sich definieren, was sie am Ende damit erreichen wollen”, so Wiesmann. Neben dem Aufsetzen einer Gesamt- und damit einhergehenden Digitalstrategie sei für die Krankenhäuser eine der größten Herausforderungen das notwendige Fachpersonal. Selbst wenn es dafür neu geschaffene Stellen gäbe, sollten sich Krankenhäuser vorab fragen: Kann eine Person diese Menge an digitalen Themen stemmen? Kann die neue Schlüsselposition über das KHZG hinaus finanziert werden? Würde sich das richtige Personal überhaupt für eine befristete Stelle entscheiden? Und welches geballte Know-how müsse mitgebracht werden? 

Dass Krankenhäuser eine konsistente Strategie und zunehmend spezielles Know-how benötigen, bestätigte auch Dr. Andreas Landgraf, der bei dem Gesundheitstechnologie-Unternehmen Philips europaweit für die Themen Interoperabilität und Datenmanagement verantwortlich zeichnet. Ein Patientenportal neben die bestehende IT-Landschaft und vorhandene Prozesse zu stellen, sei nicht nachhaltig. Er betonte die Relevanz einer Datenstrategie unter Berücksichtigung folgender Leitfragen: Welche Daten werden bereits erhoben oder sollen künftig erhoben werden? Wo fließen die Daten hin? Wie können sie genutzt werden, um andere Prozesse zu bereichern und den Mehrwert für die Mitarbeitenden erfahrbar zu machen, indem z.B. Daten nicht mehr händisch von A nach B übertragen werden müssen? “Das Patientenportal ist ein schönes Beispiel. Hier werden zahlreiche Daten generiert. Diese müssen sinnvoll fließen können und in guter Qualität  dort vorliegen, wo das Krankenhaus auch Herr über seine eigenen Daten ist und bleibt. Mit jedem weiteren Datensilo wird das Krankenhaus in Zukunft noch unflexibler gegenüber Neuerungen sein”, so Landgraf. 

Datenexperten beschäftige die München Klinik noch nicht, so Dr. Axel Fischer, Vorsitzender der Geschäftsführung von der München Klinik gGmbH. Allerdings werde bereits seit Jahren in die digitale Transformation investiert, die Basistechnologie sei gut. Doch der große Wurf mit Projekten wie dem Patientenportal komme jetzt erst. “Wir stecken mittendrin. Die Digitalisierung ist bei uns organisatorisch in der Unternehmensentwicklung aufgehangen, da wir das Thema stark aus Prozess- und Kultursicht denken”, so Fischer. Für den Krankenhausmanager gelten die aktuellen Digitalisierungsprojekte als State-of-the-Art und wären bestenfalls bereits vor acht bis zehn Jahren umgesetzt worden. Den Zeitdruck für die Implementierung der KHZG-geförderten Maßnahmen bis Ende 2024 sieht er dennoch kritisch.  “Die Veränderung unserer Arbeitswelt wird immens sein. Bis 2025 haben wir bestenfalls eine Software eingeführt, aber wir haben noch nichts digitalisiert und verändert. Bis das, was wir aktuell machen, ankommt und wirkt, bis Patient:innen und Mitarbeitende zufriedener sind und entlastet werden, das wird noch viel länger dauern. Um all das, was wir jetzt einführen, wirklich zu nutzen, bedarf es umfangreicher Schulungen und auch Zeit.”

Ein weiterer Knackpunkt in den Digitalisierungsvorhaben der Krankenhäuser sei die noch gering ausgeprägte Kooperation zwischen den Häusern. Die München Klinik habe sich daher bewusst der Ausschreibung eines Patientenportals über die Bayerische Krankenhausgesellschaft angeschlossen, so Dr. Axel Fischer. Auch Anne Wiesmann bemängelte, dass das Thema Patientenportal vornehmlich für den stationären Bereich und nicht unter Berücksichtigung regionaler Strukturen betrachtet würde. “Es gibt immer mehr ambulant tätige Ärzte, die sagen, dass sie neben der ePA etwas brauchen, um sich zu organisieren und um den Austausch zwischen den unterschiedlichen Beteiligten in der Versorgung der Patient:innen zu gewährleisten. Ziel muss sein, irgendwann dahin kommen, den Prozess der Patient:innen digital vor ambulant und ambulant vor stationär denken zu können.”

In Schweden sei genau diese Vorgehensweise schon Realität, stellte Dr. Carol Wildhagen, Deutschland-Geschäftsführerin des schwedischen Telemedizin- und Patientenportal-Anbieters Platform24 heraus. Sie plädierte dafür, ambulant und stationär bereits heute zusammenzudenken und sich mit einem Patientenportal nicht nur auf die elektiven Fälle zu fokussieren. “Wie viele Hilferufe haben wir in den letzten Wochen und Monaten erneut aus den überlasteten Notaufnahmen gehört? Als das KHZG aufgesetzt wurde, hätte man sich einige Entwicklungen noch gar vorstellen können, die nun aber Realität sind. Wenn ich also jetzt schon Geld habe, mich als Krankenhaus dem Digitalisierungsdruck aussetze und meine gesamte Belegschaft auf diese Reise mitnehmen möchte, dann sollte ich die Digitalisierung jetzt auch nutzen, um mich zukunftsfähig aufzustellen.” Messbaren Mehrwert könne die MDR-zertifizierte digitale Anamnese und medizinische Ersteinschätzung als Teil des Patientenportals bieten, um beispielsweise die Triage in der Notaufnahme digital auszulagern. “In Schweden zeigt sich im akuten Bereich, dass 10 bis 20% der Patient:innen nach Durchlaufen der digitalen Anamnese und medizinischen Ersteinschätzung überhaupt keinen Arzt sehen müssen, die Behandlungsdauer um mehrere Minuten verkürzt werden kann und ein Patientenvolumen von bis zu 20% weniger Personal versorgt werden kann”, erläuterte Wildhagen. Messbaren Mehrwert zu bieten ist aus der Sicht der ehemaligen Chirurgin insgesamt einer der  Kern-Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten im Krankenhaus. “Wie bringen wir die Kolleginnen und Kollegen dazu, die Digitalisierung anzunehmen? Indem sie erleben, hier wird verantwortungsvoll mit meiner Zeit umgegangen, das ist nicht einfach nur das nächste System, sondern es bringt mir wirklich was. Und am Ende ist es auch das Wohl des Patienten, was da dran hängt. Dann wird daraus eine ‘Win-Win-Situation’.” 

                        
                            
Written by

Stephanie Kunz

Head of Communications Germany